Detroit

Wir leben hier ja quasi einen Katzensprung entfernt von der ultimativen Autostadt der USA. Na gut, vielleicht ehemaliger Glanz in der Automobile Welt- Wem sagt GM, Pontiac, Ford und Chrysler nix?

Direkt an der Kanadischen Grenze, größte Stadt in Michigan. Früher ein großer Umschlagshafen für Handel, dank seiner Lage zur Grenze und dem Detroit River. Im 20. Jahrhundert wichtiger Bestandteil der Automobilindustrie. Später dann dank, nennen wir es mal Strukturwandel- der schnelle Fall. Der endgültige Sargnagel der Stadt, 2009 durch die Pleite von GM. Es folgten hohe Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Zerfall der Stadt. 2013 dann der Bankrott der Stadt Detroit. Heute noch gibt es Teile in Detroit, die eher nach einem Bombenanschlag anmuten als einer Großstadt die mal der ultimative Standort der Automobileindustrie war.

Doch es gibt einen Bekämpfer des Aussterbens- die große Kulturelle Szene der Stadt. Es gibt unheimlich viele Angebote wie Oper, Theater, Musen sowie viel Restaurants. Auch die bekannten Profi Liga Mannschaften in verschiedenen Sportarten lassen diese Stadt wieder attraktiver wirken.  Viele Junge Leute zieht es wieder in die Stadt, sowie junge Unternehmen, die das günstige Immobilien Angebot geschickt für sich nutzen konnten. Wenn man mit den Leuten hier ins Gespräch kommt, hört man immer wieder das die Stadt im Wandel ist. Viele vergleichen Detroit sogar ein wenig mit dem hypen Berlin. Wenn man vielleicht das erste mal nach Detroit, kommt und sich nicht so gut auskennt, ist Downtown der wohl beste Anlaufpunkt. Dies ist der Stadtkern, direkt am River, umgeben von den Typischen Bürogebäuden aber auch kleinen Ladenstraßen sowie dem quirligen Greektown. Name ist hier definitiv Programm und einer der beliebtesten Standtorte für den Abend.

Als sich rausstellte das wir nach Michigan gehen, also nach Detroit, war das aufstöhnen der Bekannten doch durchgehend zu hören. Vorurteile oder Hörensagen haben dazu beigetragen das die Ängste groß waren. Verständlich, werden auch immer nur die Gruselgeschichten im TV gezeigt. Auch mich hat das ganze nie kalt gelassen. Als Flo oft auf Dienstreisen alleine war, hatte ich schon immer etwas bedenken und ein komisches Gefühl. Jetzt, ein paar Wochen hier sehen wir das auch etwas anderes. Ich gebe zu, ich hatte immer eine kleine Ausrede parat, warum wir die letzten Wochen nicht nach Detroit sind. Ich bin schwanger, wir kennen uns nicht aus, alleine ist es nicht so schön….und so weiter!

Etwas was wir sehr schnell lernen mussten- wir wohnen nicht in Detroit (was meinem Erdkunde Lehrers sicher die Locken auf dem Kopf springen lassen würde…) sondern in Michigan. Was bedeutet das nun? Sehen die Leute das hier ähnlich? Muss man angst haben wenn nach Detroit geht? Oder schämt man sich für das Fleckchen am See? Immerhin macht die Region Detroit 40% der Bevölkerung von Michigan aus. Der Bezirk Rochester Hills in dem wir wohnen, gehört wohl zu einem der wohlhabenden. Noch ist uns das nicht so bewusst, wir finden da gibt es andere Flecken die bedeutend wohlhabender wirken. Birmingham oder Bloomfield zum Beispiel.

Nun war Flo sein letzter Urlaubstag angebrochen und er wünschte sich einen Besuch in Detroit. Das Wetter an dem Tag war wirklich traumhaft, kalt aber sehr sonnig. Vielleicht bringt das bisschen Adrenalin die kleine in Wallung und sie beschließt spontan das Licht der Welt zu erblicken? Das Krankenhaus wäre auf dem Weg und die Taschen sind im Auto. ACHTUNG SPOILER ARLARM: Nix passierte!

Eisbahn mitten auf dem Kreisverkehr.

Die Kugel vor dem Weihnachtsbaum…man hat mich vergesssen…

Was ich noch vor dem Reisebericht einwerfen muss, wenn wir schon von Autos sprechen… Nun habe auch endlich ich ein Auto. Sozusagen total autonom. Nicht mehr früh aufstehen und Flo zur Arbeit fahren wenn ich das Auto brauche obwohl ich viel lieber noch ein wenig schlafen würde. Leider ist mein Traum vom RAM nicht wahr geworden. Auch wenn diese hier wie Golfs auf deutschen Straßen unterwegs sind, war er finanziell einfach nicht zu halten. Das Auto an sich ist immer noch günstiger wie in Deutschland, aber als Zweitwagen mit der Versicherung und dem Sprit…keine Chance. Aber immerhin durfte ich mal Probe fahren- es brach mir das Herz. Es war Liebe auf den ersten Blick. Man musste mich quasi aus dem Auto zwingen. Der Gedanke eines Sitzstreiks formte sich immer mehr in meinem Kopf. Ich bin schließlich eine schwangere, was wollen sie machen?
Nun bin ich (stolze) Besitzerin eines netten weißen Ford Escape mit Sportausstattung. Im vergleich zum RAM natürlich etwas kleiner, im vergleich zu Bumble Bee daheim- bedeuteten größer. Außerdem ist mein Mann beruhigt das ich nun ein sicheres Auto fahre, also in seinen Augen sicher. Und ist der Mann glücklich, ist auch die Frau glücklich oder so. Erwähnte ich, dass mein Herz gebrochen ist?


So nun zu unserem kleinen Ausflug. Das Wetter war wirklich Traumhaft schön, sonnig aber s**** noch eins ist das kalt hier! Der Wind fegt hier nur so durch die Blocks. Sonst wirkte es ziemlich leer und ausgestorben. War schon ein wenig gruselig so mit den dampfenden Gullideckeln. Vielleicht lag es auch daran das es der 2. Januar war und die Menschen noch Zeit mit Ihren Familien verbrachten, anstatt durch die Stadt zu schlendern. Wir suchten uns ziemlich Zentral ein Parkhaus. Man hatte uns eingebläut immer schön da zu parken, wo viel los ist. Im Parkhaus angekommen stellten wir fest, dass es ein ziemliches Loch war, aber immerhin ein bewachtes Loch 🙂

Da wir keine Ahnung hatten wo wir hin sollten, folgten wir erst mal dem Weg zum Wasser. Hier standen ein paar beeindruckende Architektonische Dings da und ein alter Mississippi Dampfer ruhte friedlich im Wasser. Die Grenze zu Kanada war nicht weit über eine Brücke erreichbar. Über uns fuhr der Detroit People Mover. Dem folgten wir dann zu seiner nächsten Station, damit wir die Stadt von oben erkunden konnten.

Detroit River. Im Hintergrund die Brücke nach Kanada. Ach und natürlich die Kugel an der Seite. Mein Mann wurde einfach nicht müde Bilder von mir zu machen.

Im Sommer sicherlich einer der beliebtesten Plätze. Perfekt für eine Abkühlung.

Da ich keine Lust hatte mein Kind in einem abgeranzten Fahrstuhl zu bekommen, weil dieser einfach stecken bleibt und keiner uns hier je finden wird, wagte ich tapfer den Aufstieg zu Fuß in den 4. Stock. Oben angekommen konnte man dann ein Ticket ziehen. Ähnlich wie in der Londoner Tube. Ok 75Cent sind ja nix dachten wir uns und zogen fröhlich unsere Kreditcard durch. Nix passierte. 324 Versuche später, die Bahn fuhr mittlerweile das 6. mal an uns vorbei- immer noch nix und die einzige Möglichkeit für uns- Bar zahlen. Wer läuft den bitte in den USA mit Bargeld rum? Ich zum Beispiel 😉 Mein Mann eher weniger, aber mein letztes Bares ging für eine Parkuhr drauf…Da standen wir nun, kein Geld und im 4. Stock. Ich weigerte mich auf den Vorschlag uns zu trennen einzugehen und darauf zu warten das Flo von einem ATM wieder kommt. Hatte ich nicht vorhin Patron Hülsen auf der Straße gesehen?

Dann kam endlich ein anderer Passagier vorbei, bei dem sogar das Ticket nicht ging. Also lag es offensichtlich nicht an uns sondern an der Technik. Wir fragten ihn was wohl passieren würde, wenn wir einfach über das Drehkreuz klettern würden. Ich glaube er hatte die selbe Idee wie wir, wollte aber den Anstand wahren, sich nicht vor den braven Touristen strafbar machen 😉 Eine Minute später war dann auch die Schwangere über dem Drehkreuz und mit einem etwas mulmigen Gefühl stiegen wir in die Bahn. Wie es der Teufel so will, stand die Bahn dann eine gefühlte Ewigkeit. Ich wartete auf das SWAT Team was sich gleich durch die Fenster schwang und uns auf dem Boden schmeißen würde. Kaum in den USA und schon werden wir Kriminell. Ich sah mich schon im Knast mein Kind auf die Welt bringen. Orange ist aber nicht unbedingt meine Farbe. Na ja, ich kann euch sagen, nix passierte, wir sind immer noch in Freiheit!

Da lachen sie, glücklich dem Knast entkommen zu sein.

Ich bin total motiviert…

Die Eishockey Arena, noch alleine aber in der nächsten Saison müssen sie sich das ganze mit der NBA teilen.

Also mich würde da niemand über die Brücke bekommen.

Wir fuhren einmal die ganze Runde über die Innenstadt und stiegen dann letztendlich in Greektown aus. Da ich leider nicht mehr so beweglich bin, war unser erster Ausflug nach Detroit überschaubar. In Greektown angekommen schalte schon Musik durch die Straßen. Ein sehr lebendiges Fleckchen dachte ich mir. Abends muss es hier sicher toll sein. Alles Häuser waren bunt beleuchtet und überall lockte der Geruch von Griechischem essen. So machten wir also einen Abstecher in eine Taverne. Das Essen war ok, aber leider nicht vergleichbar mit dem Essen was man so in Deutschland beim Griechen bekommt. Aber Entertainment wird hier ganz groß geschrieben. Bedeutet an jeden zweiten Tisch brannte irgendwas und immer schrie irgendwer Oppppaaaaaa!

Hier in der Mitte- eines von zwei Restautant, die Mark Wahlburg gehören. Vielleicht werden wir das nächste mal dem Wahlburgers einen Besuch abstatten.

Danach rollten wir zurück zu unserem Auto, vorbei an einem der Casinos. Ob man sich hier auch so Edel anziehen muss um rein zu kommen? Ein Kollege von Flo sagte dann, Hauptsache man hat überhaupt etwas an, dann darf man gerne rein. Aha?! Aber im nachhinein muss es gut gewesen sein, dass wir dieses Unterfangen auf ein anderes mal verschoben haben, da man hier überall im Casino rauchen darf. Muss ja nicht sein.

Fazit unseres ersten Ausfluges. Nüchtern. Mich ließ das ganze Thema Kriminalität im Vorfeld einfach keine Ruhe. Keine Ahnung warum ich da so ein bammel hatte. Haben wir doch schon ganz andere Ecken der Welt gesehen, in denen die Gefahr sicher größer war Opfer einer Gewalttat zu werden. Komme nicht gerade ich aus einer Großstadt und habe mir nie Gedanken über so etwas gemacht? Ich denke es ist eher eine Sache von Respekt. Detroit ist nun mal die Stadt in den USA mit der höchsten Kriminalität Rate, gefolgt von Chicago. Ich denke das ist es verständlich, wenn man mit einem mulmigen Gefühl hinfährt. Sicher macht auch der Umstand das ich hoch Schwanger bin einen Teil dazu. Aber im großen und ganzen muss ich sagen, wenn man einmal dort ist, gibt es wirklich interessante Ecken und man tut der Stadt sicher unrecht sie nicht zu besuchen. Man sollte ihr eine Chance geben und den Charme hinter all den leeren Häusern erkennen. Leider konnten wir an diesem Tag nur einen Bruchteil sehen und ich war etwas schockiert wie ruhig und ausgestorben alles wirkte. Auch die vielen Obdachlosen versetzten mir einen stich ins Herz. Sie waren aber weder aufdringlich noch aggressiv oder sonst irgendwie negativ. Im Gegenteil. So wie 98% aller Menschen hier sehr nett und redebedürftig. Trotz der positiven Erfahrung werden wir sicher darauf achten in welcher Ecke der Stadt wir uns rumtreiben und vielleicht auch nicht unbedingt alleine.

Ich hoffe ich habe mit meinem Beitrag unsere potenziellen Besucher aus Deutschland nicht verschreckt. Es war wie gesagt nur eine kurze Momentaufnahme und diese war nicht negativ. Vielleicht sieht hier alles im Frühjahr oder Sommer anders aus, wie so vieles in Michigan. Wir freuen uns jedenfalls auf zahlreiche Besucher!

 

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